Diagnose Epilepsie Unerwartet und plötzlich
Ich öffne die Augen, der Raum ist voll mit Menschen.
„Können Sie mir Ihren Namen nennen, wissen Sie wo Sie sind?“. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Völlig benebelt schaue ich mich um, schaue in die ängstlichen Gesichter meiner Familie. Mir tut
alles weh, meine Knochen sind schwer, mein Kopf pocht. „Sie hatten einen Krampfanfall, wir müssen Sie ins Krankenhaus bringen.“
Dies war meine erste Begegnung mit der chronischen Krankheit Epilepsie.
Epilepsie. Was ist das überhaupt? Eine der mir meist gestellten Fragen und das obwohl dies die häufigste neurologische
Erkrankung weltweit ist. In Deutschland sind circa 500.000 Menschen davon betroffen. Die Anfälle werden durch eine Art „Gewitter im Gehirn“ ausgelöst. Große Partien der Nervenzellen
sind übererregt und entladen sich verstärkt gleichzeitig. Diese unkontrollierten Entladungen führen zu einem epileptischen Anfall.
Es gibt verschiedene Anfallsarten. In meinem Fall wurde eine fokale Epilepsie in Folge von Grand-Mal (großer Anfall) Anfällen diagnostiziert. Fokale Epilepsie bedeutet, dass diese Überladung der
Nervenzellen an einem bestimmten Herd im Gehirn stattfinden. Der Betroffene verkrampft sich, gefolgt von Zuckungen an Armen, Beinen und des Kopfes. Keine Seltenheit ist ein Zungen oder Wangenbiss
sowie schaumiger Speichelfluss. Die Atmung gerät ins Stocken und verursacht eine allmähliche bläuliche Verfärbung der Haut. Ist der epileptische Anfall vorbei, was in der Regel ein bis fünf
Minuten andauern kann, kehrt das Gehirn wieder zu seiner ursprünglichen Funktionsweise zurück. Sehr wichtig und erwähnenswert ist, dass diese Anfälle in keiner Form das Gehirn schädigen!
Wie erlebe beziehungsweise wie beschreibe ich meine Anfälle? Ich habe das „Glück“ eine Aura vor dem Anfall zu verspüren. Nicht jede Aura führt zu einem Anfall, allerdings ist dies ein Anzeichen
davon, dass etwas nicht in Ordnung ist. Eine Aura zu beschreiben ist fast unmöglich. Ich verspüre ein seltsames Körpergefühl, Unwohlsein und Wahrnehmungsstörungen. Spüre ich eine Aura, so kann
ich mich noch in Sicherheit bringen, sprich mich hinlegen und um Hilfe rufen.
„Die Sekunden vor dem Anfall sind für mich am schlimmsten,
da ich nicht mehr reagieren und sprechen kann!“
Da ich während dem Anfall bewusstlos bin, ist es für Angehörige/Ersthelfer viel schlimmer als für mich. Die Sekunden vor dem Anfall sind für mich am schlimmsten, da ich nicht mehr reagieren und
sprechen kann. Jedoch höre ich die panischen Worte meiner Angehörigen/Ersthelfer. Als Ersthelfer ist man hilflos, sieht zu, beobachtet und hat die Zeit im Blick. (Dies ist wichtig für die spätere
Diagnose).
Ist der Spuk vorbei, wache ich mit starken Kopf und Muskelschmerzen auf. Gefolgt von Müdigkeit, Unwohlsein und Erschöpfung.
Meine Epilepsie wird Medikamentös behandelt. Da ich mich sehr für Naturheilkunde interessiere, versuche ich dies in meinen Alltag zu integrieren. Neben meinen Medikamenten (Levetiracetam und
Lamotrogin) nehme ich zusätzlich Mineralstoffe ein wie Chlorella, Weizengras und Artischocke Kapseln um meinen Körper, vor allem Leber und Niere zu unterstützen. Gute Erfahrungen habe ich auch
mit Osteopathie gemacht. Kurz und knapp : Ich probiere viel aus und mache das, was mir gut tut.
Wie gehe ich damit um? Eine solche Diagnose zu erhalten ist schockierend. Ich habe mir oft die Frage gestellt „Warum ich?“ Darauf gibt es keine Antwort. Epilepsie ist noch sehr unerforscht,
dennoch eine Krankheit mit der man (wie ich finde) gut leben kann. Es war am Anfang sehr schwierig für mich zu akzeptieren, was sich alles verändern wird. Ich nehme dreimal täglich meine
Medikamente ein, bis heute darf ich kein Auto fahren, ich bin in die Stadt gezogen um mein Leben flexibler und weiterhin selbstständig gestalten zu können. Hinzu kommen die ständigen Arzt und
Kontrolltermine. Ich bin achtsamer geworden, achte mehr auf mich und meinen Körper. Die Tage nach einem Anfall sind deprimierend. Man ist enttäuscht, dass auch diese Medikation nicht geholfen
hat. Man darf auch mal traurig sein, weinen und das Leben nicht als fair ansehen. Wichtig ist es jedoch wieder aufzustehen und den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Ich kann mein Leben mit
kleinen Abstrichen weiterhin so leben wir vorher auch. Meine Familie und meine Freunde unterstützen mich wo sie nur können und dafür bin ich mehr als dankbar.
Das Leben mit Epilepsie hat meine Denkweise sehr verändert. Das Leben kann so kurz sein, deshalb sollte man das Beste daraus machen. Distanziere dich von Menschen und Dingen, die dich unglücklich
machen. Lerne „Nein“ zu sagen. Mache mehr von dem was dich glücklich macht. Und das Wichtigste: Sei du selbst!
„I won’t give up, I have endless hope and endless faith. You may be in my life but you don’t own my life“ – Epilepsy Network“
DIE AUTORIN
Luisa ist 21 Jahre jung und erhielt ihre Diagnose Epilepsie Anfang 2017.
Mit ihrem Beitrag möchten sie aufklären und auf die neurologische Krankheit Epilepsie aufmerksam machen. Auch möchte sie anderen Betroffenen Mut zusprechen.
Ihr findet Luisa bei Instagram unter dem Namen Lu_liiila {HIER}
Ich heiße Chiara Morgano und bin 24 Jahre alt. Meinen ersten Anfall habe ich damals mit 12 Jahren bekommen. An diesen Anfall kann ich mich noch genau erinnern, was für epileptische Anfälle nicht
üblich ist. Die Ärzte konnten nicht sagen, ob es ein kleiner Schlaganfall oder ein epileptischer Anfall war. Mit der Zeit habe ich weitere Anfälle bekommen. Dann war für jede*n klar, dass es sich
um Epilepsie handelt. Doch wie sehen meine Anfälle aus? Wie komme ich damit zurecht?
Die ersten Anfälle zeigten sich durch das typische Muster, Umfallen, Krampfen und bewusstlos sein. Dieses Bild ist meist tief in den Köpfen unserer Gesellschaft verankert. Jedoch gibt es weitere
Typen von epileptischen Anfällen. Ich habe eine linksseitige Temporallappenepilepsie, das heißt ich bekomme somit nicht unbedingt Krampfanfälle, sondern Auren mit nachfolgenden fokalen Anfällen.
Ich nenne sie kleine Anfälle, da ich nicht krampfe oder das Bewusstsein verliere. Stattdessen schaue ich Löcher in die Luft und ignoriere alles um mich herum. Ne, so ganz ist es dann doch nicht 😉
Ich bin einfach für 2-3 Minuten mit dem Kopf nicht mehr wirklich anwesend. Früher habe ich die Personen um mich herum und das was sie sagten nicht wahrnehmen können. Mittlerweile ist es mir
möglich, während den Anfällen zu sprechen und meine Mitmenschen wahrzunehmen. Es bleibt jedoch eine unwohle Wärme und ein Schwindelgefühl, das jeden Anfall begleitet. Wieso kann ich jetzt während
der Anfälle reden? Das kann ich selbst nicht erklären, ich weiß nur, dass sich meine Anfälle verändert haben. Von Krampfanfällen zu den kleinen Anfällen und dann nur noch zu Auren. Auren
sind für mich kleine Vorboten für einen Anfall. Bei mir können sich nach Auren kleine Anfälle durchsetzen oder ich behalte ein längeres Aura-Gefühl. Auren sind schwer zu beschreiben. Von
Erzählungen her, wurden sie von anderen Personen mit einem Zustand des Angetrunken- sowie Bekifftseins in Verbindung gebracht. Man ist einfach etwas neben der Spur, abwesend und merkt, dass
irgendwas nicht stimmt. Wenn eine Aura bei mir länger als 15min andauert, habe ich ein sogenanntes Notfallmedikament. Dieses Medikament unterbricht die Aura, macht aber auch sehr müde. Die
Müdigkeit begleitet ziemlich viele Epileptiker*innen. Aber man kann sich der Müdigkeit und den Anfällen entgegenstellen.
Ablenkung tut gut. Nicht auf den nächsten Anfall warten, sondern die Zeit ohne Anfall genießen. Für mich ist Bouldern und Klettern gut. Dort denke ich nicht mehr viel nach, da ich nicht von der
Wand fallen möchte. Kaputte Knochen müssen nicht auch noch sein 😉 Natürlich ist es nicht immer leicht mit der Epilepsie umzugehen. Es gibt auch vieles, was nervt und mit dem ich immer noch
umzugehen versuche. Am meisten nervt mich mein Gedächtnis, weil es etwas schwieriger ist, sich Dinge zu merken. Aber dafür nehme ich mein Handy und Zettel und schreibe alles auf oder die
anderen dürfen für mich mitdenken. Manchmal kommt es auch vor, dass mir bestimmte Worte nicht so schnell einfallen. Dann bilde ich einfach neue oder lasse Andere mit raten. Das geht gut, indem
man Synonyme benutzt oder ähnliche Worte zusammenbaut. Es sind schon viele lustige Worte dabei entstanden.
Bald lasse ich mich operieren, um das Auftreten von Anfällen zu reduzieren und weniger Tabletten nehmen zu müssen. Meine „Drogen“ sind immerhin bunt, aber etwas lästig einzunehmen. Die Angst
begleitet mich zwar, aber ich kenne viele aus der Selbsthilfegruppe, die sie gut überstanden haben.
Ich kann nur sagen, dass es sich mit Epilepsie gut leben lässt (zumindest für mich) und guter Humor für den Umgang unerlässlich ist. Hey, ich habe sogar ein Studium mit meinem tollen Gedächtnis
geschafft. 😉 Wichtig ist, dass man drüber spricht!!!